Einführung in das Derivat Transposition
Angelika Friedrich
(Full version originally published and available in trans-kom)
Introduction to the Derivative Transposition – Abstract
This essay explores the possibility of defining a third type of derivative that falls under the category of neither translation nor adaptation.
A derivative describes a work that is related to a previously existing original. We currently have two common types of derivatives: adaptation and translation. Adaptation uses the original as a rough template for a new work. Translation is more or less a direct copy of the original in a different language. In this paper an attempt is made to describe where transposition lies within this framework.
To define transposition, it is helpful to break down a work into its form and content. Fundamentally, a transposition retains the form – understood as a defined element, in this case, the sentence – of the original work in the target text. This is similar to a translation. Unlike a translation, however, there may be a change in the content. A transposition’s treatment of content and the systematic approach to the treatment of content cause it to differ from both translation and adaptation. In transposition, the degree to which the original content is retained or modified depends on the relationship between the respective contexts of the two texts.
1 Einleitung
Im Jahr 2012 wurde in der Zeitschrift InTranslation die neueste amerikanische Übertragung der Erzählung Nos (Die Nase) des russischen Autors Nikolaj Gogol’ (1836) veröffentlicht (Gogol’ 2012). Noch eine weitere Übertragung eines Klassikers scheint zunächst wenig spektakulär, ist aber bei einer genaueren Analyse etwas ungewöhnlich. Der übertragene Text ist zwar ein Derivat, das heißt ein Text mit einer gewissen Verbindung zu einem Originalwerk, aber bei einem Vergleich der Original- und Derivatinhalte ist der Zieltext weder eine Übersetzung noch eine Adaption. Wie bei einer Übersetzung wurde gezielt jeder Satz des Originals im neuen Werk aufgenommen und keine im Ausgangstext nicht vorhandenen Sätze, Absätze beziehungsweise neuen Teile hinzugefügt. Wie jedoch in einigen Adaptionen beziehungsweise Aktualisierungen wurden die Inhalte der jeweiligen Sätze oft geändert. Infolgedessen bleibt die Struktur der Erzählung gleich, der Inhalt aber ist anders.
In der Translatologie gibt es verschiedene Einteilungen für die Arten von Übertragungen. Seit Längerem wird bei der Übersetzung von Texten zwischen der Äquivalenz und der Adäquatheit unterschieden. Nach Reiß und Vermeer in Grundlegung einer allgemeinen Translationstheorie (Reiß/Vermeer 1984/1990) wird die Äquivalenz als “Relation zwischen einzelnen sprachlichen Zeichen eines Textpaares und als Relation zwischen ganzen Texten beschrieben” (Reiß/Vermeer 1984/1990: 131) und präziser als “eine Relation zwischen zwei Größen, die den gleichen Wert, den selben Rang im je eigenen Bereich haben und derselben Kategorie angehören” (Reiß/Vermeer 1984/1990: 139). Dahingegen bezeichnet die Adäquatheit “die Relation zwischen Ziel- und Ausgangstext bei konsequenter Beachtung eines Zweckes (Skopos), den man mit dem Translationprozeß verfolgt” (Reiß/Vermeer 1984/1990: 139).
Auf dem Gebiet der Linguistik geht eine wichtige Unterscheidung auf Roman Jakobson (1959/1966) zurück. In “On Linguistic Aspects of Translation” gewinnt ein sprachliches Zeichen erst einen Sinn, wenn es in ein weiteres, alternatives Zeichen übersetzt wird (Jakobson 1959/1966: 232-233). Nach ihm bestehen drei Möglichkeiten für die Interpretation eines sprachlichen Zeichens: (i) “it may be translated into other signs of the same language”, das heißt intralinguale Übersetzung oder Umformulierung mit anderen Zeichen in derselben Zeichensprache; (ii) “into another language”, womit er meint, interlinguale Übersetzung oder normale Übersetzung, in der die sprachlichen Zeichen durch eine andere Sprache interpretiert werden; (iii) “into another nonverbal system of symbols”, worunter er eine intersemiotische Übersetzung oder Transmutation versteht, in der die Interpretation des sprachlichen Zeichens über Zeichen in einem nichtsprachlichen Zeichensystem stattfindet (Jakobson 1959/1966: 233).
Sowohl der Unterschied zwischen dem Äquivalenz- und Adäquatvorgang als auch Jakobsons Auffassung von Übertragungen schließen nur zum Teil das Derivat Transposition ein. Die Äquivalenz wird nur im formellen Sinn durch die Aufrechterhaltung eines jeden einzelnen Satzes erfüllt; von einer adäquaten Übersetzung kann lediglich insofern gesprochen werden, als die umgeänderten Inhalte teilweise, aber keineswegs abschließend nach dem Skopos des Originals bestimmt werden. In Bezug auf Jakobson wird bei einer Transposition von einer Sprache in eine andere schon die Bedeutung der Originalbegriffe in einem Satz in ein anderes sprachliches Zeichensystem übertragen, allerdings kann das Modell von Jakobson nicht die Transposition von zum Beispiel der Tiber im Original (Hoffmann 2014: 1478) als Florida im Zieltext (Raleigh 2013: 70) einordnen. Um die Einordnung einer Transposition genauer zu verstehen, müssen zunächst die Methode des Transponierens und die Eigenschaften dieses Types im Verhältnis zur Übersetzung und Adaption untersucht werden.
(Full version available at trans.kom)